«Es war Liebe auf den dritten oder vierten Blick»

Dr. med. Sofia Amylidi-Mohr, Oberärztin, und PD Dr. med. Stefan Mohr, Leitender Arzt, sind seit sechseinhalb Jahren verheiratet und haben zwei gemeinsame Kinder. Beide sind in der Frauenklinik des Inselspitals Bern beschäftigt. Was heisst es, am selben Ort zu arbeiten? Welche besonderen Begegnungen sind dabei vorprogrammiert? Und wie bringen Sofia und Stefan Familie, Freizeit und Beruf ins Gleichgewicht?

Wie habt ihr beide euch kennengelernt?
Sofia: Ich kam in mein Büro in der Frauenklinik, und da sass ein Fremder, der meinen Platz besetzte (lacht).
Stefan: An diese Situation kann ich mich nicht einmal mehr erinnern.


Also kann man wohl nicht von Liebe auf den ersten Blick sprechen.
Sofia: Jein. In einem Kurs in Zürich vor zehn Jahren haben wir uns offiziell kennengelernt. 
Stefan: Es war Liebe auf den dritten oder vierten Blick (lacht). Auf einer Zugfahrt nach Hause sind wir dann ins Gespräch gekommen.


Welche Vorteile bietet die Tatsache, dass ihr in derselben Klinik arbeitet?
Stefan: Es hat Vor- und Nachteile. Es ist cool, zu Hause nicht immer über Medizin sprechen zu müssen, wenn die Partnerin Nichtmedizinerin ist. Andererseits ist die Arbeitsbelastung sehr hoch, und nicht jeder würde dafür das Verständnis aufbringen, wie wir es beide füreinander haben.
Sofia: Wir sind stark eingespannt, auch an den Wochenenden. Und müssen uns deshalb nicht voreinander rechtfertigen, wieso wir abends mal später und ausgelaugt nach Hause kommen. Wir leben Teamwork – unter anderem in der Kinderbetreuung.

Apropos Kinder. Wie ist es, wenn ein Pärchen mit grosser Expertise im Bereich der Gynäkologie ein Kind erwartet? 
Sofia: Jegliche Expertise geht da verloren – ebenso die Distanz zum Ganzen. Man hat quasi zu viel Wissen und beginnt, Dinge in die eigenen Symptome hineinzuinterpretieren.
Stefan: Sofia ist eine super Geburtshelferin, aber als sie selber schwanger war, hat sie alles vergessen, was sie den Patientinnen immer erzählt, auch basale Sachen. Bei der zweiten Schwangerschaft ging’s dann aber besser.
 

Sieht man die Arbeit mit neuen Augen, wenn man selbst Mutter oder Vater ist?
Sofia: Definitiv. Mein Mutterdasein hat einen positiven Einfluss auf die Schwangerschaftsbetreuung und den Kontakt mit den Patientinnen. Man hat es selbst erlebt und wird dadurch empathischer. 
Stefan: Wenn ich eine Patientin mit einem Karzinom betreue, geht mir sofort die Frage durch den Kopf: Hat diese Frau Kinder? Man denkt viel weiter als früher.
 

Ihr seid beide stark in Klinik, Lehre und Forschung engagiert. Wie schafft ihr es, Familie, Freizeit und Beruf im Gleichgewicht zu halten?
Stefan: Kommunikation und Abstimmung sind essenziell. Zum Beispiel am Wochenende. In unserer raren Freizeit stehen die Kinder im Mittelpunkt. Es ist ein Geben und Nehmen.
Sofia: Es gibt Phasen, in denen wir keine gemeinsame Freizeit haben. Wir versuchen, uns gegenseitig Zeit zu verschaffen. Unsere Lebenssituation, zu der wir uns entschieden haben, macht es erforderlich, Abstriche zu machen. Die sehr gute und qualitativ starke Insel-Kita hilft uns sehr, da sie beispielsweise bis spätabends offen hat.


Und du, Sofia, hast einen Protected Research Grant erhalten. 
Sofia: Genau, 40 Prozent meines Arbeitspensums kann ich vollends der Forschung widmen. Das vereinfacht die Vereinbarkeit von Familie und Beruf.
Stefan: Ich bewundere Sofia für ihren Elan. Manchmal frage ich mich, ob sie überhaupt schläft (lacht).


Bearbeitet ihr auch gemeinsam medizinische Fälle?
Sofia: Es kommt gelegentlich vor, dass ich Patientinnen an Stefan überweise. Bei fachlichen Fragen können wir gegenseitig von unserer Expertise profitieren.
Stefan: Da gibt es eine lustige Anekdote. Wir waren gerade zwei Monate zusammen und hatten einen gemeinsamen Kaiserschnitt. Da sagte ich aus Spass zu Sofia: «Hier im Operationssaal bin ich für dich Herr Oberarzt Dr. Mohr.» Eine OP-Pflegende meinte dann nur: «Ja, ja, Stefan, ist klar.»

Nach Feierabend wird bestimmt noch über die Arbeit gesprochen.
Sofia: Ich habe mehr Redebedarf als er, sagen wir’s mal so. 
Stefan: Natürlich tauscht man sich zu Hause über die Arbeit aus. Aber es gibt Momente, da muss man sagen: Jetzt ist Schluss, anderes Thema. 


Was ratet ihr anderen Paaren, die in der Spitzenmedizin arbeiten und Familie haben wollen?  
Stefan: Irgendwie wird es gehen. Wenn man sich schon ohne Kinder, ohne Forschungstätigkeit und ohne klinische Arbeit über grundlegende Dinge wie Einkaufen oder Putzen streitet, dann wird es auch mit nicht klappen.
Sofia: Familie heisst nicht, auf die Karriere verzichten zu müssen. Einer muss aber immer etwas zurückstecken, und hierzu muss man bereit sein. Wichtig ist, einander nicht Vorwürfe zu machen oder nachzurechnen, wer jetzt mehr erledigt hat.


Welche Eigenschaften schätzt ihr aneinander? 
Sofia: Seine Zuverlässigkeit und sein liebevoller Umgang mit den Kindern. Ich kann immer auf ihn zählen.
Stefan: Ich bin stolz auf sie, und es freut mich, wenn sie Erfolg hat. Ich kann mich mit ihr immer noch genauso gut unterhalten wie zu Beginn unserer Beziehung. Das schätze ich enorm. Es passt einfach .


(Gucken sich an): Ja, es passt definitiv.