Alles beginnt im Kopf. Wie Vorsätze gelingen können
Unser Gehirn kann auf verschiedene Weise auf Veränderung reagieren. Es kann sich anpassen und neue neuronale Verbindungen bilden. Nehmen wir die Veränderung als positiv wahr, werden im Gehirn Belohnungszentren aktiviert. Wir fühlen uns glücklich. Doch inwiefern können wir diese neurologischen Prozesse für unsere persönliche Veränderung nutzen?
Haben Sie Vorsätze für das neue Jahr? Mehr Sport treiben? Weniger Alkohol trinken? Oder vermehrt Freundinnen und Freunde treffen?
Eigentlich wüssten wir, was uns guttut – und doch tun wir es oft nicht. Oder jedenfalls nicht lange; je älter das Jahr, desto mehr hapert es mit der Umsetzung der gefassten Vorsätze. Warum wollen wir etwas und tun es doch nicht? Oder anders gefragt: Wo im Gehirn werden eigentlich Entscheidungen und Vorsätze gefasst und beeinflusst?
Entscheidungen und Vorsätze sind das Ergebnis komplexer neuronaler Interaktionen, die in verschiedenen Teilen des Gehirns stattfinden. Je nach Art der Entscheidung, den Umständen und der individuellen Gehirnstruktur werden unterschiedliche Hirnregionen verschieden stark aktiviert.
Die Neurologinnen und Neurologen meinen dazu:
Es gibt nicht den spezifischen Ort im Gehirn, der ausschliesslich für Entscheidungen oder Vorsätze verantwortlich ist, vielmehr ist es ein komplexes Netzwerk von Gehirnregionen, die an diesem Prozess beteiligt sind.
Prof. Dr. Iris-Katharina Penner, Leiterin Universitäre Neuropsychologie, Inselspital, erklärt: «Wenn wir uns das menschliche Konnektom anschauen, also die Gesamtheit der Verbindungen im Nervensystem, dann erkennen wir, wie hyperkomplex die Vernetzung im Gehirn ist.» Alles, was mit dem Wahrnehmen und Erkennen zusammenhängt, findet durch das Zusammenspiel innerhalb eines gigantischen Netzwerkes statt. «Daher», so die Neuropsychologin, «sprechen wir bei ausgeprägten kognitiven Störungen auch von einer Netzwerkstörung oder einem Netzwerkkollaps.»
Schlüsselregionen für Entscheidungen
Grundsätzlich sind beim Treffen von Entscheidungen vor allem drei Schlüsselregionen des Gehirns involviert:
- Bei der Formulierung von Vorsätzen und langfristigen Zielen ist der präfrontale Cortex (vorderer Rindenteil des Frontallappens) von grosser Bedeutung. Er ist für komplexe kognitive Funktionen wie Planung und Impulskontrolle, die Bewertung von Belohnungen und moralische Überlegungen verantwortlich.
- Das Belohnungssystem, der Nucleus accumbens (Verknüpfung zwischen den Basalganglien und dem limbischen System) spielt eine Rolle bei der Bewertung von Belohnungen und Anreizen. Wenn wir einen Vorsatz fassen, der mit einer Belohnung verbunden ist, wird das Belohnungssystem aktiviert und verstärkt unser Verlangen, diesen Vorsatz umzusetzen.
- Das limbische System, einschliesslich des Mandelkerns (Amygdala) und des Hippocampus, ist eng mit emotionalen Reaktionen und Erinnerungen verbunden: Positive Emotionen steigern in der Regel unsere Motivation, etwas zu verändern; negative hingegen beeinträchtigen uns zuweilen bei der Überwindung des inneren Schweinehundes.
Veränderungen können Stress auslösen
Das Gehirn neigt dazu, sich an Gewohnheiten und Routinen zu gewöhnen, da diese ein Gefühl von Sicherheit und Vorhersehbarkeit vermitteln. Veränderungen bedrohen diese gewohnten Muster, was zu Angst führen kann. Angst vor dem Unbekannten und Ungewissen, aber auch Angst vor Misserfolg oder Ablehnung. Angst, etwas falsch zu machen und nicht perfekt zu sein, sodass wir uns zurückhalten und quasi vorsorgend gar keine Risiken eingehen. Wir fühlen uns schon im Vorhinein gestresst.
«Stress hat einen schlechten Einfluss auf das Gehirn. Chronischer Stress führt sogar dazu, dass Nervenzellen im Hippocampus – einer Hirnregion, die für das Neulernen und die Gedächtnisbildung verantwortlich ist – zerstört werden. Hinzu kommt bei gestressten Menschen meist eine schlechte Schlafqualität. In der Folge erleben Menschen, die unter chronischem Stress leiden, ausgeprägte Gedächtnisstörungen, die den Alltag belasten. Nicht selten werden diese Personen bei uns für eine neuropsychologische Abklärung vorstellig, weil sie befürchten, dement zu werden», sagt Iris-Katharina Penner.
Ein grosses Thema mag auch die Komfortzone sein: Lieber in einer unzufriedenen Situation verharren als den unsicheren, weil unbekannten Weg des Risikos auf sich nehmen. Dazu kommt die mangelnde Motivation: So gross ist das Interesse am Sport, an einer neuen Sprache oder einem anderen Hobby nun doch wieder nicht, als dass wir unsere lieben Gewohnheiten aufgeben würden.
ABER: Wir können lernen, innere Barrieren zu überwinden, indem wir uns selbst ehrlich reflektieren, akzeptieren, wie wir sind und – eventuell auch mithilfe von anderen Menschen – ein positives Denken kultivieren.
Wir können auch lernen, mit der Angst vor einer Veränderung umzugehen, indem wir beispielsweise Techniken wie die achtsamkeitsbasierte Meditation, die kognitive Verhaltenstherapie und Entspannungsübungen anwenden. Diese Ansätze können helfen, die Aktivität in der Amygdala (Mandelkern im präfrontalen Cortex) zu reduzieren und die Verbindung zwischen angstauslösenden Reizen und der Angstreaktion zu schwächen, was zu einer besseren Bewältigung von Veränderungen führen kann.
Wir haben es also ein Stück weit in der Hand, Stress zu vermeiden und innere Barrieren zu überwinden.