Die sehr seltene Krankheit «Primäre Hyperoxalurie Typ 1» (PH1) ist eine genetisch bedingte Stoffwechselkrankheit, die auf den Ausfall eines Enzyms zum Abbau von Fettsäuren zurückgeht. Durch eine hohe Konzentration von Oxalsäure in Verbindung mit Calcium kommt es in der Niere – und anderen Organen – zur Bildung von Calciumoxalsäure-Kristallen (Nierensteinen). Diese können die Nierenfunktion vermindern und zu einer Niereninsuffizienz bis hin zum Ausfall der Nierenfunktion führen. PH1 tritt in vielen unterschiedlichen Formen in unterschiedlichen Altersgruppen auf und gilt als deutlich «unterdiagnostiziert». Studien schätzen die Häufigkeit von PH1 auf etwa eine betroffene Person pro 150 000 Einwohner. Bisher bestand die einzige Kausaltherapie in einer Lebertransplantation.
Lumasiran – hervorragende Resultate in der klinischen Anwendung
In der jüngst im Fachjournal New England Journal of Medicine publizierten Studie berichten die Forschenden von einer neuen Therapie, die PH1 medikamentös erfolgreich behandeln kann. Prof. Daniel Fuster vom Inselspital, Universitätsspital Bern, erläutert: «Die sehr gute Verträglichkeit und das Ausmass der Oxalsäurereduktion waren sehr positiv. Es traten keine schwerwiegenden Nebenwirkungen auf, die meisten Patientinnen und Patienten hatten nach sechs Monaten mit Lumasiran normale Oxalsäurewerte in Blut und Urin.
Eine gross angelegte, internationale Studie
Die Publikation entstammt der «ILLUMINATE-A-Studie», einer internationalen, randomisierten, Placebo kontrollierten Doppelblindstudie. Die Studie wurde an 16 Zentren u.a. in den USA, Frankreich, Deutschland, Grossbritannien und der Schweiz ausgeführt, wobei das Universitätsspital Bern das einzige Schweizer Zentrum war. Ziel der Studie war es, die Sicherheit und Wirksamkeit einer Lumasirantherapie festzustellen. Die Reduktion der nicht abgebauten Oxalsäure im Urin der untersuchten Patientinnen und Patienten stand im Zentrum.
Die Studie Schloss 39 Patientinnen und Patienten (Alter über 6 Jahre) ein. 13 Personen erhielten Placebo, 26 wurden mit Lumasiran behandelt. Nach 6 Monaten lagen die Werte für Oxalsäure im Urin der behandelten Gruppe im normalen oder fast-normalen Bereich.
Ein wirksames und verträgliches Medikament steht bereit
Die Resultate der Studie können als bahnbrechend bezeichnet werde, indem erstmals eine an den Ursachen ansetzende, wirksame und gut verträgliche Therapie zur Verfügung steht. Seit November 2020 ist Lumasiran zur Behandlung von PH1 in den USA und der EU zugelassen. In der Schweiz steht die Zulassung noch aus. Am Inselspital sind derzeit sechs Patientinnen und Patienten, darunter zwei Kinder, in Behandlung.
Nächste Schritte – es gibt viel zu tun
Die Diagnose und Therapie braucht viel Erfahrung und ein spezialisiertes, interdisziplinäres Team. Es stehen international erst wenige Zentren zur Verfügung, die den hohen Anforderungen gerecht zu werden vermögen. Aus- und Weiterbildung wird notwendig sein, um alle Partner auf die speziellen Anforderungen vorzubereiten. Aufgrund der Teilnahme an der ILLUMINATE-A-Studie und den damit verbundenen Erfahrungen mit der Lumasirantherapie sind die Fachleute am Inselspital, Universitätsspital Bern dazu bestens gerüstet.
Experten:
- Prof. Dr. med. Daniel Fuster, Leitender Arzt Universitätsklinik für Nephrologie am Inselspital, Universitätsspital Bern und Gruppenleiter am Department for BioMedical Research (DBMR) der Universität Bern
- Dr. Sybille Tschumi, Leitende Ärztin, Kinderklinik, Team Nephrologie am Inselspital, Universitätsspital Bern
Links:
- Original publication: Garrelfs F.S., Frishberg Y. et al. 2021 : Lumasiran, an RNAi Therapeutic for Primary Hyperoxaluria Type 1. N Engl J Med 2021;384:1216-26. DOI: 10.1056/NEJMoa2021712
- Primary Hyperoxaluria Type 1, :Primary Hyperoxaluria Type 1 - GeneReviews® - NCBI Bookshelf (nih.gov) https://www.ncbi.nlm.nih.gov/books/NBK1283/
- Universitätsklinik für Nephrologie und Hypertonie, Inselspital, Universitätsspital Bern
- Kinderklinik, Einheit für Kindernephrologie, Inselspital, Universitätsspital Bern
- Department of BioMedical Research, Universität Bern