Chirurgie-Robotiksysteme am Inselspital in Testphase

Die Weiterentwicklung neuer Robotik-Anwendungen in der Chirurgie gehört zum Kernauftrag eines Universitätsspitals. Das Inselspital, Universitätsspital Bern zusammen mit der Universität Bern, namentlich dem ARTORG Center for Biomedical Research, engagieren sich heute in zahlreichen Forschungs- und Entwicklungsprojekten in diesem Bereich. Anfangs Juli 2021 kamen zwei neue, im Ansatz ganz unterschiedliche Systeme erstmals zum Einsatz. In den kommenden Monaten sollen sie in der klinischen Praxis und Forschung ausführlich getestet werden.

Seit die US-Firma Intuitive Surgical im Jahr 1998 den ersten OP-Roboter mit dem Namen «Da Vinci» in einer Klinik eingesetzt hat, durchlief die Robotik in der Chirurgie eine enorme Entwicklung. Heute stehen Systeme zur Verfügung, die im Submillimeterbereich Augenoperationen unterstützen, und es gibt inzwischen OP-Roboter, die klassische Operationsschritte weitgehend selbstständig ausführen. Die Robotik ist aus der Chirurgie nicht mehr wegzudenken.
Die Insel Gruppe hat diese Entwicklung in einigen Bereichen sehr aktiv mitgeprägt. Mehrere Teams haben an der Weiterentwicklung verschiedener Systeme in Forschung und Praxis mitgearbeitet. Die von Robotern unterstützte Chirurgie hat daher heute einen festen Platz im Behandlungsspektrum des Inselspitals. Aktuell sind zum Beispiel «Da Vinci»-Systeme der eingangs erwähnten Firma Intuitive Surgical routinemässig in der Viszeral- und Thoraxchirurgie, in der Gynäkologie und in der Urologie im Einsatz. Es ist absehbar, dass die Robotik in der Chirurgie künftig einen noch wichtigeren Stellenwert einnehmen wird.

Zwei ganz unterschiedliche, neue Systeme im Inselspital

Anfangs Juli 2021 haben die Expertinnen und Experten des Inselspitals gleich zwei neue, komplett unterschiedliche Systeme in den Testbetrieb genommen: Das eine System setzt auf Künstliche Intelligenz (KI), die neusten Erkenntnisse maschinellen Lernens und Hightech mit miniaturisierten Instrumenten. Das andere System gibt bewusst dem Operateur, der Operateurin die Möglichkeit, fliessend zwischen manuellem und robotergestütztem Vorgehen zu wechseln. Beide Systeme verbinden Spitzentechnologie und Know-how aus dem praktischen Einsatz im OP.

Hightech und KI: das System eines globalen Medtech-Anbieters

In der Viszeralchirurgie wird ein neues System der Firma Asensus Surgical getestet. Die neue Technologieplattform mit dem Namen «Senhance® Surgical Systems» nutzt KI, um während der Operation noch präziser und individueller auf die Situation eines bestimmten Patienten eingehen zu können. Weiter bietet das System ein haptisches Feedback, ähnlich dem Pannenstreifenzittern des Lenkrades, wenn die Fahrerin, der Fahrer zu weit von der Fahrbahn abdriftet. Das System steuert während der Operation die Kamera, indem es die Augenbewegungen des Operateurs, der Operateurin verfolgt. Zudem arbeitet es mit den kleinsten derzeit verfügbaren Operationswerkzeugen von nur 3 Millimetern. Die Strategie dieses Systems setzt auf eine Perfektionierung der Robotik im äusserst engen Zusammenwirken von Operateurin, Operateur und Roboter. Das Hightech-System soll in den nächsten 12 Monaten im Praxiseinsatz intensiv getestet werden.

Manuell und robotergestützt: Hybrid-System eines Startups aus Lausanne

In eine andere Richtung geht die Innovation des Lausanner Startup Distalmotion unter dem Namen «Dexter System». Das als Hybridroboter bezeichnete System will dem Operateur, der Operateurin die Möglichkeit geben, in fliessendem Übergang rein manuell oder robotergestützt zu arbeiten. Der Operateur, die Operateurin kann die Vorteile der klassischen Laparoskopie nutzen, ohne auf die Vorteile der Robotik für bestimmte Phasen der Operation verzichten zu müssen. So können sie den grössten Teil der Operation direkt neben der Patientin stehen und müssen sich nur während heiklerer Phasen von derselben entfernen. Das Inselspital gehört zu den ersten Universitätsspitälern, die mit dem Dexter-Roboter arbeiten. Ein erster Testeingriff erfolgte am 1. Juli 2021 und erzeugte internationales Interesse unter Chirurgen. Prof. Dr. med. Michael Mueller beschreibt den Ersteinsatz wie folgt: «Wir waren hoch erfreut über die Gelegenheit als erstes Team weltweit das neue Hybridsystem testen zu können. Drei Besucher aus Deutschland wohnten dem Eingriff live bei. Die ersten Erfahrungen übertrafen unsere Erwartungen in Bezug auf Bedienerfreundlichkeit und Effizienz.» Auch bei diesem System ist vorgesehen, den derzeitigen Prototyp in der Gynäkologie und Urologie zu testen und Erfahrungen aus dem Praxiseinsatz zu sammeln.

Ausblick – wohin entwickelt sich die Robotik in der Chirurgie?

Als Universitätsspital ist das Inselspital verpflichtet, bei der Entwicklung neuer Technologien ganz vorne mitzuwirken. Aus der Zusammenarbeit mit der Universität Bern, speziell dem ARTORG Center for Biomedical Research, sind innovative, computerassistierte Interventionen zum Beispiel an der Leber, am Ohr und in der Neurochirurgie entwickelt worden. Prof. Dr. med. Daniel Candinas erklärt: «Wir sind überzeugt, dass weitere Einsatzgebiete und Systeme die Chirurgie in den kommenden Jahren verändern und weiterentwickeln werden. Wichtig sind dabei gezielte Entwicklungs- und Forschungsprogramme zur Begleitung. Wir antizipieren kommende Trends und testen neue Systeme laufend. Wir setzen auf mehrere Anbieter und arbeiten eng mit den Entwicklern zusammen.»

 

Experten:

  • Prof. Dr. med. Michael Mueller, Co-Klinikdirektor und Chefarzt Universitätsklinik für Frauenheilkunde, Inselspital, Universitätsspital Bern
  • Prof. Dr. med. Dr. h.c. Daniel Candinas, Klinikdirektor und Chefarzt, Universitätsklinik für Viszerale und Transplantationschirurgie, Inselspital, Universitätsspital Bern

Links:

Die Weiterentwicklung neuer Robotik-Anwendungen in der Chirurgie gehört zum Kernauftrag eines Universitätsspitals. Die von Robotern unterstützte Chirurgie hat heute einen festen Platz im Behandlungsspektrum des Inselspitals.

Senhance® Surgical Systems, eine Hightechlösung, die u.a. Künstliche Intelligenz nutzt.

Der Hybridroboter Dexter System will dem Operateur, der Operateurin die Möglichkeit geben, in fliessendem Übergang rein manuell oder robotergestützt zu arbeiten.

Prof. Dr. med. Dr. h.c. Daniel Candinas, Klinikdirektor und Chefarzt, Universitätsklinik für Viszerale und Transplantationschirurgie, Inselspital, Universitätsspital Bern

Prof. Dr. med. Michael Mueller, Co-Klinikdirektor und Chefarzt Universitätsklinik für Frauenheilkunde, Inselspital, Universitätsspital Bern