Künstliche Bauchspeicheldrüse bewährt sich bei Operationen

Die Blutzuckerregulierung von Personen mit Diabetes mellitus ist im Rahmen einer Operation besonders anspruchsvoll. Eine neue Studie unter der Leitung des Inselspitals, Universitätsspital Bern, zeigt, dass die Insulinzufuhr über ein vollautomatisiertes Closed-Loop-System, auch «künstliche Bauchspeicheldrüse» genannt, eine präzisere Blutzuckereinstellung erzielt als die herkömmliche Spritzentherapie.

Operationen stellen aufgrund von Stressreaktionen und medizinischen Eingriffen, wie zum Beispiel künstliche Ernährung, hohe Anforderungen an die Blutzuckerkontrolle. Ein zu hoher Blutzuckerspiegel, im medizinischen Fachjargon als Hyperglykämie bezeichnet, erhöht das Risiko für unerwünschte Operationsfolgen. Dazu gehören Infektionen oder Wundheilungsstörungen.

Patientinnen und Patienten, die im Rahmen einer Operation einen zu hohen Blutzuckerspiegel aufweisen, werden mit Insulin behandelt. Dabei wirkt erschwerend, dass der Insulinbedarf im Lauf des Tages stark schwankt. Eine konventionelle Therapie mit Spritze erfordert darum häufige Blutzuckerkontrollen und Dosisanpassungen, welche das Spitalpersonal zeitlich belasten. Die fehlende Möglichkeit von Feinjustierungen erhöht zudem das Risiko für eine Hypoglykämie, umgangssprachlich Unterzuckerung genannt. Diese kann zu gesundheitlichen Folgeschäden oder gar zum Tod führen.

Eine wesentliche Verbesserung der Blutzuckereinstellung ohne Hypoglykämie-Risiko bei Personen mit Diabetes mellitus erzielen Closed-Loop-Systeme oder «künstliche Bauchspeicheldrüsen». Die Begriffe stehen für ein Gerät, welches fortlaufend den Blutzucker im Unterhautfettgewebe misst und gleichzeitig für eine vollautomatisierte, bedarfsgerechte Insulinzufuhr sorgt. Somit übernimmt das System weitgehend die Funktion der kranken Bauchspeicheldrüse.

Dass sich das Closed-Loop-System auch im anspruchsvollen Rahmen einer Operation bewährt, zeigt eine aktuelle Studie unter der Leitung von Prof. Dr. med. Lia Bally vom Inselspital, Universitätsspital Bern. Mit der künstlichen Bauchspeicheldrüse befand sich der Blutzucker der Patientinnen und Patienten während 77 Prozent der Zeit vor, während und kurz nach der Operation im Zielbereich. Mit der herkömmlichen Insulin-Spritzentherapie dagegen nur zu 55 Prozent. Die Studie wurde in der jüngsten Ausgabe des renommierten Fachmagazins Diabetes Care publiziert.

Für ihre Untersuchung haben die Forschenden der Universitätsklinik für Diabetologie, Endokrinologie, Ernährungsmedizin und Metabolismus sowie des Departements für Anästhesie und Schmerztherapie 45 Patientinnen und Patienten rekrutiert, die sich einer nicht notfallmässigen Operation unterzogen, bei welcher eine Insulinbehandlung zu erwarten war. Nach dem Zufallsprinzip erhielten die Studienteilnehmenden entweder die herkömmliche Insulin-Spritzentherapie oder die vollautomatisierte Therapie mit der künstlichen Bauchspeicheldrüse. Die Behandlungsdauer erstreckte sich vom Spitaleintritt bis zum Austritt. Der Blutzuckerspiegel der Studienteilnehmenden wurde durchgehend mit einem Glukose-Sensor gemessen. Die Absicht war, dass er sich möglichst lang im Zielbereich zwischen 5,6 und 10,0 Millimol pro Liter befand.


Mit Closed-Loop-Systemen länger im Blutzuckerzielbereich

Die Studienergebnisse zeigen: Eine künstliche Bauchspeicheldrüse wirkte sich sowohl vor, während als auch kurz nach einer Operation deutlich positiv aus. Im Vergleich zur herkömmlichen Insulintherapie konnte bei den Studienteilnehmenden durch das vollautomatisierte Closed-Loop-System die Zeit im Blutzuckerzielbereich um 6 Stunden pro Tag erhöht werden.

«Dass sich die künstliche Bauchspeicheldrüse auch unter Bedingungen, welche für den Stoffwechsel mit stark erhöhtem Stress verbunden sind, so gut bewährt hat, ist ein wichtiger Meilenstein in der erfolgreichen Behandlung von Personen mit Diabetes mellitus, welche rund einen Drittel unserer Patientinnen und Patienten ausmachen», erklärt die Studienleiterin Prof. Dr. med. Lia Bally. «Die Ergebnisse unterstreichen zugleich die Bedeutung moderner Technologien, welche sich den individuellen Bedürfnissen der Patientinnen und Patienten anpassen und dadurch die Versorgungsqualität und Sicherheit während des Spitalaufenthalts verbessern.» Als nächsten Schritt planen die Forschenden innerhalb dieser Zusammenarbeit Folgeprojekte, um die neue Methode hinsichtlich einer möglichen Einführung in die klinische Praxis näher zu untersuchen.


Expertin

  • Prof. Dr. med. Lia Bally, Leiterin Ernährung, Metabolismus und Adipositas und Leiterin Forschung, Universitätsklinik für Diabetologie, Endokrinologie, Ernährungsmedizin und Metabolismus, Inselspital, Universitätsspital Bern und Universität Bern.


Links


Kontakt

24-h Blutzuckerprofil von Studienteilnehmenden mit und ohne Closed-Loop-System

Schematische Zeichnung der Bestandteile des Closed-Loop-Systems