Statine wirksam, aber nicht flächendeckend einsetzen

Die neuen Richtlinien der American Heart Association (AHA) zum Einsatz von Statinen zur Bekämpfung hoher Cholesterin-Werte werden kontrovers diskutiert. Am Inselspital setzt man die Medikamente gezielt, aber nicht übermässig ein.

Prof. Nicolas Rodondi, Leiter der Universitäts-Poliklinik für Allgemeine Innere Medizin am Inselspital, betrachtet die neuen Richtlinien mit Skepsis: Die amerikanische Methodik zur Datenauswertung stuft das Risiko für eine Herz-Kreislauf-Erkrankung bzw. einen Herzinfarkt oder Hirnschlag bis doppelt so hoch ein wie das tatsächliche Risiko. „Würden wir diese Richtlinien in der Schweiz 1:1 umsetzen, so bekämen mehr als 50% der 40- bis 75-Jährigen Statine verschrieben", rechnet Rodondi aus. „Das wäre zweimal mehr als bereits heute."

 

Differenzierte Therapie statt Pauschallösung

Dabei bestreitet Rodondi die Wirksamkeit von Statinen bei Patienten, die bereits erkrankt sind, keinesfalls: „Für Herzinfarkt- oder Hirnschlag-Patienten sind Statine derzeit eine der besten Möglichkeiten, Rückfälle zu vermeiden."

 

In der Prävention von Erst-Erkrankungen würde Rodondi die Medikamente aber nur vorsichtig einsetzen. „Bei Jugendlichen mit einem familiär erhöhten Cholesterinspiegel versuchen wir bereits frühzeitig Vorsorge zu betreiben. Dies beinhaltet neben einem gesunden Lebenswandel mit Bewegung auch besonders die Unterstützung durch geschulte Fachpersonen – wie wir sie in unserer spezialisierten Cholesterin-Sprechstunde anbieten."

 

Spezialsprechstunde berät umfassend

Die Cholesterin-/Lipid-Sprechstunde der Medizinischen Poliklinik am Inselspital existiert seit 2011 und berät etwa 30 Patienten pro Monat aus der ganzen Schweiz. Sie wird von einem Arzt und einem Ernährungsberater durchgeführt und hat zum Ziel, Menschen mit erhöhtem Cholersterinspiegel umfassend über unterschiedliche Behandlungsmöglichkeiten zu beraten – insbesondere bei familiärer Disposition oder Nebenwirkungen von Statinen.

 

AHA will noch mehr Statine

Im November 2013 veröffentlichte die AHA Richtlinien zur medikamentösen Prävention kardiovaskulärer Erkrankungen bei erhöhten Cholesterinwerten. Statine sollten demnach sehr viel breiter eingesetzt werden als dies bereits heute weltweit der Fall ist – u.a. in der Prävention von Erst-Erkrankungen. Statine gehören zu den am zweithäufigsten verschriebenen Medikamenten in der Schweiz.